Vergangenheit, Persönlichkeit und Zukunft.
Unsere Vergangenheit bestimmt jede einzelne unserer Entscheidungen, unser Verhalten und formt unsere Persönlichkeit – sowohl bewusst als auch unbewusst. Probleme, die man im Erwachsenenalter hat, haben meistens Ihren Ursprung in der Kindheit oder in vergangenen (traumatischen) Erlebnissen. Es ist wichtig zu verstehen, wie und warum das so ist, um zu verhindern, dass diese sich in akute oder grössere Probleme verwandeln.
Viele gehen davon aus, dass Probleme, Situationen oder Missverständnisse im jeweiligen Moment entstehen. Eine Aktion erzeugt eine Reaktion. Doch ist das so einfach?
Unser Verhalten ist nicht in Schwarz-Weiß-Abstufungen aufgeteilt, wie man oft glaubt. Es benötigt viel Wissen, um es zu verstehen. Jede Art von Handlung hat einen Grund und ist tief verankert in den erlernten, erlebten und erfahrenen Erinnerungen und Lebensereignissen.
Von klein auf werden Kinder von vielen Dingen beeinflusst. Bis zu einem bestimmten Alter sind diese rein auf die emotionale Ebene begrenzt, denn ein Kleinkind hat noch nicht die Fähigkeit, Umstände, Situationen, Ansichten und andere Situationen zu sehen und zu verstehen. Das Einzige was es tut ist: Fühlen. Glück, Freude, Sicherheit, Wohlbefinden und weitere positive Emotionen – oder eben das Gegenteil: Angst, Trauer, Unsicherheit oder Unglück. Diese Gefühle bilden die Basis für unsere Erinnerungen und Erfahrungen. So lernen wir, verbunden mit unseren Emotionen, Schlüsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen. Wir entwickeln so Verhaltensweisen, Bewältigungsmechanismen (auch Coping Strategien genannt) und Persönlichkeitszüge.
Was hier wichtig ist, sind die Coping Strategien. Man geht je nach Situation und Person unterschiedlich mit bestimmten Ereignissen um. Doch die Folgen, bzw. die Resultate dieses Umgangs sind wichtig, denn diese bestimmen auch das zukünftige Handeln in Bezug auf Ereignisse oder andere Personen.
Doch was hat das mit den Problemen oder Missverständnissen im Erwachsenenalter zu tun?
Alles was wir sagen, wie wir es sagen oder ausdrücken und wann wir es sagen, hat einen Grund, einen Ursprung und eine Absicht inne. Wie stellen wir nun sicher, dass es nicht zu Konflikten kommt?
Es gibt nie eine hundertprozentige Sicherheit, aber indem man selbstreflektiert bleibt, kann man einen grossen Teil verhindern.
Zum Beispiel:
Wenn Person A etwas mit Person B erlebt, wird diese von ihren eigenen Erfahrungen beeinflusst, eine bestimmte Situation anders einzuschätzen. Demnach kann die Erzählung von Person A zu Person B variieren. Ebenfalls wird die Erzählung variieren, da Person A nicht das exakt gleiche Vokabular wie Person B verwendet. Dieser Umstand wird dann bei einer anderen Person C, der die Situation geschildert wird, einen anderen Eindruck der Situation hinterlassen, welcher sich von den tatsächlichen Geschehnissen unterscheidet.
Was hier wichtig zu verstehen ist, ist das jede einzelne Person nicht nur eine subjektive Wahrnehmung und Realität hat, sondern (leider) auch nicht immer genügend Einsicht in die Umstände des Gegenübers hat. Je mehr diese ursprüngliche Information weitergegeben wird, desto häufiger können subjektive Realitäten und Erlebnisse zunehmend interpretativ mit einfliessen.
Man kann nicht alles über eine andere Person wissen oder kennen. Was diese durchgemacht hat, wie sie erzogen wurde, in welcher Sprache oder welcher Kultur sie aufgewachsen ist. Je nachdem, was eine Person wie erlebt hat (auch im emotionalen Sinn) und wie sie mit diesen Umständen zurechtkam, steht als Information längst nicht immer für Externe zur Verfügung. Es liegt an der jeweiligen Person selbst, zu entscheiden, ob sie diese Informationen teilen möchte.
Dies ist eine Sache, die wir nicht beeinflussen können. Doch das Verhalten einer Person, das entfernt von den Normen[1] liegt ist immer ein Indikator dafür, dass die Person ein traumatisches Erlebnis durchgemacht hat.
Missverständnisse können immer entstehen. Das Missverständnis, das zu einem Problem wird, kann ein Weg zur Lösung sein.
Wie lösen wir Probleme und wie schaffen wir die Bereitschaft, diese zu klären?
Es wichtig, alles in Relation zu sehen und dabei selbstreflektiert zu bleiben und zu verstehen, dass wenn man etwas sagt und hört, viel mehr dahintersteckt als nur die Worte selbst. Man sollte immer daran denken, dass hinter jedem Handeln und jeder Aussagen immer Gründe stecken, die viel tiefer gehen, als man zunächst sieht oder glaubt zu kennen.
Probleme zu lösen, bedeutet nicht nur einen Aufwand für das Gegenüber, sondern auch für sich selbst. Das heisst: die Bereitschaft muss natürlich da sein und man muss ein Ziel damit verfolgen. Welches Ziel das ist, bleibt natürlich jeder Person selbst überlassen. Vielleicht könnte man allgemein das Ziel haben, ein friedliches Zusammenleben zu fördern oder immer wiederkehrende Problem präventiv zu vermeiden.
Reflektion bedeutet, ehrlich zu sich selbst sein zu können und die eigenen Erfahrungen in Relation zu Situationen zu setzen. Der Aufwand dabei liegt darin, sich selbst zuzuhören und so gut wie möglich zu identifizieren und differenzieren, welche Emotionen zur eigenen Persönlichkeit gehören und welche nicht, und wann die Emotion und Motivation des Gegenübers gehört und verstanden werden muss. Man muss diese nicht nachempfinden, aber man sollte sie zumindest verstehen oder akzeptieren. Man muss nicht zwingend empathisch sein, sondern den Gegenüber, dessen Erfahrungen und Erlebnissen mit Respekt gegenüberzutreten. Hier geht es nicht darum, Recht zu bekommen, denn jeder hält die eigene Ansicht erstmal für die Korrekte. In Konflikten geht es darum, eine Lösung zu finden und konstruktiv nach vorne denken zu können, sodass sich beide Parteien verstanden und gesehen fühlen.
Wenn eine starke Reaktion von dem Gegenüber kommt, drückt das häufig eine Form der Verzweiflung aus und es steckt etwas dahinter, das man nicht sieht. Selbst die betroffene Person ist sich dessen selten bewusst. Verzweiflung oder Angst führen oft zu Unsicherheit. Ein Gefühl, dass viele Leute nicht ertragen können. Unsicherheiten führen zu einem Bedarf an Sicherheit und dem Wunsch nach Antworten. Man sucht nach Erklärungen, die subjektiv (also in Bezug auf alles was man gelernt hat oder erlebt hat) Sinn machen. Dies bedeutet aber nicht, dass diese der objektiven oder normalen[2] Realität entsprechen.
Nehmen wir ein Beispiel, das in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Einfluss gewinnt: Das Internet.
Nahezu jeder hat Zugriff auf das Internet. Man kann jede erdenkliche Information über das Internet bekommen. Diese Informationen werden von anderen Menschen hochgeladen. Was bedeutet das? Dass jede Information eine subjektive Sichtweise über ein Thema ist. Das bedeutet, dass diese geprägt ist von Erfahrungen und Erlebnissen.
Da diese Informationen jeder Person jederzeit zur Verfügung stehen, kann sich natürlich jede Person die Informationen «rauspicken», die ihr in die Hände spielen und den eigenen Gesichtspunkt unterstützen.
Rede- oder Pressefreiheit bedeutet nicht, dass alles was gesagt wird, auch richtig ist, es bedeutet lediglich, dass jede Person ein Recht auf eine eigene Meinung hat und dass jeder diese Meinung respektieren soll. Es heisst nicht, dass man diese Meinung zwingend teilen oder anderen aufdrängen muss.
Wichtig ist, zu verstehen, dass jede Information, die mit bzw. von einer Person geteilt wird (dies ist auf allen Ebenen anwendbar) nicht zwangsweise der Realität von Anderen entspricht.
Man sollte von klein auf lernen, diese Unterschiede zu erkennen, um Situationen besser einschätzen zu können und dadurch ein grösseres Verständnis für unser Gegenüber und dessen individuelle Situationen zu schaffen.
Es kann gar nicht oft genug betont werden: Man muss nicht einer Meinung sein, man sollte aber andere Meinungen (und das gilt in beiden Richtungen) stets respektieren können.
Die Reflektion des eigenen Verhaltens und das Verständnis der eigenen Motivationen und Emotionen hilft auch, ein grösseres Verständnis für das Verhalten des Gegenübers möglich zu machen.
Nehmen Sie sich also nicht alles so zu Herzen und versuchen Sie immer darüber nachzudenken, wer eine Aussage tätig und in welcher Situation sich diese Person befindet. Hat Sie etwas zu gewinnen? Zu verlieren? Unter welchen Umständen wurde die Aussage gemacht? Wie geht es der Person und was macht sie zur Zeit durch? Könnte etwa mehr dahinterstecken? Welche Information kann man nicht leugnen und könnte als Fakt angesehen werden? Wann ist eine Information Fakt und wann nicht?
Unser Ziel sollte es sein, ein grösseres Verständnis für dieses Thema zu schaffen und auch unseren Kindern dies von Anfang an beibringen, sodass sie in einer besseren Umgebung aufwachsen, einen anderen Umgang miteinander pflegen und nicht unsere Fehler wiederholen.
Keiner ist perfekt. Jeder macht Fehler, das gehört zum Leben dazu und nur so entwickelt man sich weiter. Man sollte offen dafür sein und lernen mit Konflikten richtig umzugehen.
Wir müssen unseren Kindern das Lernen von Verständnis und Respekt ermöglichen, nahebringen wie eine Person funktioniert und wie man in Konfliktsituationen richtig kommuniziert. All dies ist nur möglich, wenn man sich emotional offen, reflektiert und tolerant verhält. Dies sind Dinge, die man von Anfang an und präventiv erlernen sollte.
Denn Prävention ist nicht nur wichtig und selbstdienlich. Prävention ist der Weg zu einem friedlicheren und glücklicheren Leben.
Setzten auch Sie sich dafür ein! Denn Veränderung fängt immer zu aller erst bei sich selbst an!
[1] Normen bedeutet alles was von einer Mehrheit angesehen und anerkannt wird als verbindlich geltende Regel was richtig, korrekt, etc. für das Zusammenleben der Menschen ist.
[2] Der Norm entsprechenden Realität.