Hilfe und Unterstützung annehmen — Ist das nur etwas für „kranke“ Menschen?
Die meisten von uns haben schon davon gehört, dass Leute zu einem Psychologen gehen oder in psychotherapeutischer Behandlung sind. Wenn wir nicht dazu gehören, sind wir vielleicht erst einmal froh darüber. Möglicherweise grenzen wir uns sogar von diesen Menschen ab und denken, dass wir ja nicht „krank“ sind und uns das niemals passieren wird. Aber ist das wirklich so? Müssen wir diagnostiziert „krank“ sein, um ein Hilfsangebot in Anspruch zu nehmen und davon profitieren zu können?
Psychisch krank — eine Diagnose
In unserem Gesundheitssystem funktioniert das so: Nur wer als „psychisch krank“ diagnostiziert wird, erhält professionelle Unterstützung in Form einer von der Krankenkasse finanzierten Psychotherapie. Ein Arzt oder ausgebildeter Psychotherapeut kann bei einer Person anhand genauer Kriterien eines Manuals für psychische Erkrankungen beispielsweise eine depressive Episode, eine Angst- oder Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Für den Erhalt von Unterstützung stehen also stets die Diagnose und der Krankheitsbegriff im Vordergrund. Daher ist auch die Annahme, dass Menschen, die zum Psychologen gehen krank sind, noch immer sehr verbreitet.
Unterstützung nur für „Kranke“?
Was aber ist mit all den Menschen, die sich in schwierigen Lebensphasen befinden, mit herausfordernden Situationen konfrontiert werden oder die aus unterschiedlichen Gründen unglücklich oder unzufrieden sind? Können nicht auch solche Menschen Unterstützung gebrauchen?
Vielleicht haben Sie das selber schon einmal erlebt: Manchmal in unserem Leben werden wir mit Situationen konfrontiert, die uns schwerer fallen zu bewältigen als andere. Das kann auch ganz unerwartet auftreten. Wir verlieren plötzlich einen geliebten Menschen. Wir erleben einen Unfall. In unserer Familie entwickelt sich ein Konflikt, der sich nicht so leicht lösen lässt. Oder wir bemerken eine Unzufriedenheit mit uns oder einer Situation, wissen aber nicht, wie wir daran etwas ändern können.
Überlegen Sie doch einmal, wie Sie in Situationen vorgehen, die Sie alleine nicht meistern können. Was machen Sie zum Beispiel, wenn Sie einen Kleiderschrank aufbauen wollen, Ihnen aber der passende Schraubenzieher fehlt? — Vielleicht klingeln Sie bei Ihrem Nachbarn und fragen dort nach, ob er den passenden Schraubenzieher besitzt. Wenn Sie diesen dann bekommen, werden Sie vermutlich einige Stunden später den neuen Kleiderschrank in Ihrem Zimmer stehen haben.
Wir bitten also andere Menschen um Hilfe. Und tatsächlich führt das meistens dazu, dass wir unser Ziel erreichen. Wenn das doch funktioniert, warum sollten wir dann nicht auch Unterstützung annehmen, wenn wir vor mentalen Herausforderungen stehen?
Jeder von uns kann mal Unterstützung gebrauchen
Für jeden von uns kann es an bestimmten Punkten in seinem Leben sinnvoll und hilfreich sein, Unterstützung anzunehmen. Nicht immer haben wir alle passenden Werkzeuge bereit, um Situationen oder Erlebnisse bestmöglich zu meistern und es alleine zu schaffen, gestärkt daraus hervorzugehen. Auch ist es nicht unbedingt einfach, an unserem Verhalten, Erleben oder Denken zu arbeiten und etwas daran zu verändern. Wenn wir bemerken, dass wir unser Ziel alleine nicht erreichen, ist das ein guter Zeitpunkt, Unterstützung anzunehmen.
Der Unterschied mentaler Herausforderungen zu anderen Alltagsproblemen ist, dass uns nicht immer der Nachbar oder ein Freund helfen können. Denn auch diese verfügen möglicherweise nicht über das passende Werkzeug. Psychologen, Berater oder Coaches aber haben einen ganzen Werkzeugkoffer, aus dem sie die für Sie passenden Werkzeuge suchen und Ihnen zeigen, wie Sie diese am besten anwenden können.
Unterstützung annehmen, Ressourcen erkennen, lösungsorientiert nutzen
Wenn wir Unterstützung annehmen, beispielsweise von einem Psychologen, geht es nicht darum, die Verantwortung an diese Person abzugeben. Vielmehr wird der Psychologe uns dabei helfen herauszufinden, was wir benötigen, damit es uns wieder besser gehen kann. Letzten Endes sind wir selber aber diejenigen, die die Veränderung umsetzen müssen.
Wir alle haben Ressourcen und Stärken, die wir nutzen können, um mit schwierigen Situationen umzugehen. Nicht immer aber sind wir uns derer bewusst. Manchmal sind wir so in unseren Gewohnheiten und Denkmustern gefangen, dass wir alternative Bewertungen und Verhaltensweisen gar nicht in Betracht ziehen. Eine objektive Sicht von außen kann uns neue Möglichkeiten eröffnen, über die wir vorher gar nicht nachgedacht haben. Die neuen Werkzeuge und Möglichkeiten können wir dann lösungsorientiert nutzen, um aktiv an unserer Situation und unserem Befinden zu arbeiten.
„Gesunde“ müssen zahlen — ein Nachteil?
Wenn wir uns eigenständig einen Psychologen, Berater oder Coach suchen, müssen wir die Kosten natürlich selbst tragen. Der entscheidende Vorteil ist hierbei aber die zeitnahe Intervention, im besten Falle sogar die Prävention. So kann mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert werden, dass sich überhaupt erst eine psychische Erkrankung manifestiert, wir eine langwierige therapeutische Behandlung benötigen oder es uns über einen langen Zeitraum schlecht geht. Bei einer frühzeitigen Reaktion können bereits einige wenige Sitzungen ausreichen, um Ihre Situation und Ihr Befinden entscheidend zu verbessern. Die Ihnen an die Hand gegebenen Werkzeuge können Sie eigenständig weiter nutzen und in Zukunft immer wieder darauf zurückgreifen.
Geld, das wir in unsere Gesundheit investieren, liefert uns nicht nur kurzfristig ein gutes Gefühl. Die Auseinandersetzung mit unserem psychischen und emotionalen Befinden, unseren Bewertungen, Gedanken und Verhaltensweisen kann uns nachhaltig und langfristig zu einem höheren Wohlbefinden verhelfen. Wenn wir in unsere physische Gesundheit Geld investieren, oder in andere Dinge, die uns gut tun, dann sollten wir genauso Geld in unsere psychische Gesundheit investieren. Denn sie bildet gemeinsam mit der körperlichen Gesundheit eine entscheidende Basis für unsere Lebensqualität.
Unterstützung annehmen: ein Zeichen von Stärke und Veränderungsbereitschaft
Seien Sie also mutig und suchen Sie sich dort Unterstützung, wo Sie sie benötigen. Inzwischen gibt es unzählige Möglichkeiten, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Es gibt Psychologen, Berater und Coaches mit den unterschiedlichsten Spezialisierungen auf dem Markt. Dabei wächst auch die Anzahl der Online-Angebote, die insbesondere für kurzfristige Beratungen und lösungsorientierte Unterstützung genutzt werden können. Durch das breite Angebot haben Sie die Möglichkeit jemanden auszuwählen, der Ihnen in Ihrer persönlichen Situation bestmöglich helfen kann. Gerne können Sie sich auch einmal in unserem Beraterpool umschauen. Vielleicht findet sich dort ein für Sie passender Berater. Es ist eine große Stärke, wenn wir zugeben, dass wir etwas nicht alleine schaffen oder wenn wir uns dazu entschließen, an uns zu arbeiten. Eigenreflexion und Veränderungsbereitschaft sind die ersten wichtigen Schritte in Richtung positiver Entwicklungen und einer langfristig höheren Lebensqualität.